Im Schatten der HAW

An der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg begegnet man oft auf den ersten Blick unauffälligen Personen. Diese sind aber essentiell für den täglichen Betrieb der HAW. Aber was steckt hinter den Personen? Was brachte Sie hierher? Wie sieht ihr Leben außerhalb der HAW aus? Auf diese Fragen haben wir im Zuge unseres Projektes «Die HAW-erlebbar machen» die Antworten gefunden. Im Folgenden stellen wir euch einige dieser spannenden Persönlichkeiten vor.
ISAAC SAFO-MENSAH
Der Mann auf dem Poliergerät
Eine Reise von Ghana bis an die HAW Hamburg
7:00 Uhr. Campus Finkenau. Die Flure sind leer.
Doch wenn man ganz leise ist, dann hört man ihn. Den Mann, der auf seinem Poliergerät durch die Gänge fährt.


Dieser Mann ist Isaac Safo-Mensah. Er ist vor 34 Jahren von Ghana nach Deutschland gekommen. Seit 20 Jahren wohnt er nun in Hamburg und ist sehr zufrieden. Doch sein Weg hierher war alles andere als leicht.
Damals hat Isaac in Ghana Kleidung im Container von Togo in sein Heimatland gebracht. Eines Tages wurde er dabei von der ghanaischen Armee festgenommen. Die Regierung unterstellte ihm, er hätte Waffen geschmuggelt und diese in Ghana verkaufen wollen. Isaac berichtet, dass er nie etwas mit Waffenhandel zu tun gehabt habe, aber solche Unterstellungen der Regierung in dieser Zeit leider an der Tagesordnung waren. In den 70er- und 80er-Jahren wurde die ghanaische Regierung von Korruption, Diktatur und Willkür bestimmt. Isaac musste Ghana verlassen.

«Ich habe alles verloren!»

Zusammen mit einigen anderen Vertriebenen wurde er zunächst nach Ost-Deutschland gebracht und kam kurze Zeit später nach Berlin-Friedrichshain (West-Berlin).
Daraufhin lebte er in verschiedenen deutschen Städten bis er schließlich gemeinsam mit seiner Frau nach Sylt zog. Danach lebten sie einige Jahre in Bad Segeberg und bekamen einen Sohn. Doch das Schicksal traf Isaac erneut. Seine Frau starb und er wurde zum Witwer.
Daher zog er zusammen mit seinem Kind nach Hamburg.
Sein Sohn ist jetzt 18 Jahre alt und spielte einige Zeit beim HSV Fußball. Mittlerweile ist er zu Flensburg gewechselt und arbeitet an seiner Fußball-Karriere. Auch Isaac spielt in seiner Freizeit gerne Fußball und ist Fan vom HSV.
Nach 9 langen Jahren konnte Isaac zum ersten mal in seine Heimat Ghana zurückkehren, wenn auch nur als Besucher.
Zuletzt war er letztes Jahr dort, um seine Familie zu besuchen. Sein jüngerer Bruder lebt mittlerweile in Amsterdam. Die beiden besuchen sich häufig.
Beruflich ist Isaac seit einigen Jahren bei der Reinigungsfirma Tip Top angestellt. Zunächst war er dort als Fahrer beschäftigt, doch seit drei Jahren ist er als Polierer angestellt. Er arbeitet täglich vier Stunden in den Fluren der HAW.

Und wenn man mal etwas früher in die Uni kommt, dann sieht man ihn. Isaac, der Mann auf dem Poliergerät.
GABRIELA DRAUBE
Das «Kellerkind»
DDR - Bowlingmeisterin und Maschinenexpertin
Im Keller der HAW am Berliner Tor spielen sich viele interessante Projekte ab. Die Maschinen werden immer moderner und größer und die Studenten arbeiten an innovativen neuen Ideen. Unterstützt werden diese Projekte oft von technischen Assistenten.

Eine solche technische Assistentin ist Gabriela Draube. Seit 25 Jahren arbeitet sie bereits im Kunststofflabor der HAW. Dort betreut sie die Maschinen und Studentenprojekte, unterstützt den Professor. Da Gabriela oft in ihrem Kellerlabor arbeitet und sich selbst „ein Kellerkind" nennt, genießt sie es besonders, wenn sie mit den anderen Instituten zusammen Projekte gestalten kann.
Ursprünglich kommt Gabriela aus Rostock. In einer Werft hat sie damals Schiffahrtsschlosser gelernt und daraufhin 23 Jahre als Schweißer gearbeitet. Nach der Wende kam sie 1991 nach Hamburg an die schweißtechnische Lehr-und Versuchsanstalt der HAW, um eigentlich nur ihren Lehrschweißer-Schein zu machen. Doch die HAW setzte sich dafür ein, die junge Frau als Lehrschweißerin einzustellen. So wurde Hamburg vor 25 Jahren das zweite Zuhause von ihr.
In der DDR machte sie nicht nur beruflich eine gute Figur. In der Ausbildung startete sie ihre Karriere als Bowlingstar. Sie wurde mehrfache DDR-Meisterin im Einzel, Team und Doppel. Nach der Wende spielte sie weitere zwei Jahre in der Bundesliga für ihre Stadt Rostock. Auch nach ihrem Umzug nach Hamburg führte sie ihre Leidenschaft für ihren Sport weiterhin fort und spielte einige Jahre in der Oberliga. Mittlerweile bowlt sie nicht mehr aktiv.
Heute zieht es sie nur noch hin und wieder, rein zum Spaß, nochmal in eine Bowlinghalle.
Eine weitere Leidenschaft ist ihr Schrebergarten am Horner Kreisel und ihre Wohnung in Rostock am Strand. Dort verbringt sie gerne ihre Wochenenden mit ihren Freunden.
Sie kommt gerne in ihre Heimatstadt zurück.

«Ich habe mein Leben in der DDR nie als schlecht empfunden.»

Trotzdem hat sie den Umzug nach Hamburg nie bereut, denn sie wurde mit offenen Armen empfangen.
Ab dem 1. April 2017 wird Gabriela in Rente gehen. Ihrer Pensionierung schaut sie sehr freudig entgegen. Sie will versuchen, ihr Umfeld in Hamburg genauso beizubehalten, aber auch mehr Zeit in ihrer Wohnung in Rostock zu verbringen. Außerdem hat sie eine Nichte, die mit ihrem Mann und ihren Kindern in Bayern lebt, die sie nun häufiger besuchen kann.
Die Arbeit an der HAW hat Gabriela immer großen Spaß gemacht. Sie hat tolle Kollegen und ein sehr gutes Arbeitsumfeld.

Und wenn man sie in ihren letzten Tagen an der HAW noch mal treffen möchte, dann hat man Glück denn auch jetzt arbeitet sie immer noch nach dem Motto „Nicht verzagen, Frau Draube fragen!"

ELKE JANDER
Das Karrieresprungbrett der HAW
Die sozial engagierte Naturliebhaberin
Jeder Mitarbeiter von der Fakultät Wirtschaft & Soziales kennt sie. Alle Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter standen schon einmal mit ihr in Kontakt, um ihre Arbeit an der HAW anfangen zu können.

Elke Jander ist an der Fakultät Wirtschaft & Soziales für alle personalrelevanten Themen zuständig. Sie betreut Stellen- und Urlaubsanträge, begleitet die Bewerbungsprozesse und ist das offene Ohr der Mitarbeiter.
Nachdem sie 1986 ihre Ausbildung zur Diplom-Verwaltungswirtin beendet hatte, startete sie ihre Karriere damals zunächst an der Hochschule für Politik und Wirtschaft in Hamburg. Zwei Jahre später wechselte Elke an die HAW, wo sie nun seit 28 Jahren zufrieden arbeitet.
Besonders gut gefällt ihr, dass sie durch ihre Arbeit mit vielen interessanten Forschungsprojekten der Fakultät in Kontakt kommt, da sie die personelle Planung für jedes Projekt betreut.
Aufgewachsen ist die Niedersächsin in einer Kleinstadt in der Nähe von Bremen. Da es damals recht schwer war, eine Ausbildung in den ländlicheren Regionen zu finden, orientierte sie sich nach Hamburg um.
Da sie ein wahrer Naturliebhaber ist, kam es für sie nicht in Frage ganz nach Hamburg zu ziehen. Daher lebt sie seit vielen Jahren mit ihrer Familie 35km entfernt vom Hamburg-Trubel im Norden Niedersachsens.
Ihr Wohnort liegt nahe an einem Naturschutzgebiet, für welches sich Elke ehrenamtlich engagiert.
Sie ist seit einigen Jahren Mitglied des Naturschutzbundes und kümmert sich dort hauptsächlich um die Vogelkunde, gibt vogelkundliche Führungen im Naturschutzgebiet und betreut Artenschutzprojekte. Beispielsweise wird in jedem Frühjahr genau verfolgt, in welchem Bereich, welche Vogelarten auftreten, wie sie singen und wie sie sich verhalten. Zudem werden sämtliche Vogelarten regelmäßig gezählt.

«Viele Leute haben den Bezug zur Natur verloren.»

Auch der aktuelle Fall der Vogelgrippe beschäftigt Elke. Der Naturschutzbund hat hierzu eine etwas andere Meinung als die Medien. Elke rät, dass doch erst einmal genau erforscht werden solle, woher die Erreger genau stammen, bevor sämtliche Tiere vernichtet würden.
Außerdem engagiert sie sich in einer christlichen Gemeinde. Zurzeit arbeiten sie dort mit vielen Flüchtlingen zusammen und bieten ihnen ein gemütliches Miteinander und einen stetigen Austausch. Sie freut sich, neue Kulturen kennenzulernen, ihr Englisch wieder aufzufrischen und einen großen Teil zur Integration beizutragen.

Wer also später auch beruflich an der Fakultät Wirtschaft und Soziales arbeiten möchte, kommt an Elke Jander nicht vorbei.

HASSAN AYDIN
Das erste Gesicht in Bergedorf
Wenn die Heimat keine Heimat mehr ist
Das erste Gesicht, das jeder sieht, sobald man den Campus in Bergedorf betritt. Jeder kennt ihn, jeder hat schon mal bei ihm nach einer Auskunft gefragt, etwas abgegeben oder einfach nur das freundliche „Hallo" am Morgen wahrgenommen. Er ist bekannt, obwohl ihn niemand wirklich kennt.

Dieser Mann heißt Hassan Aydin. Vor acht Jahren wurde der gebürtige Kurde von der Stadt Hamburg an die HAW vermittelt und arbeitet seither an der Pförtnerei des Campus in Bergedorf. Hassan hat schon viele Städte in Europa bereist, aber findet es nirgendwo so schön, wie in seiner zweiten Heimat Hamburg. Hier lebt er seit mehr als 28 Jahren mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern.
Geboren und aufgewachsen ist Hassan allerdings im Osten der Türkei, in Kurdistan. Im Alter von 14 Jahren zog er zusammen mit seiner Familie in die West-Türkei. Nach seiner Hochzeit mit einer Türkin, die bereits in erster Generation in Deutschland aufwuchs, wanderte auch er nach Deutschland aus. Das Ehepaar bekam zwei gemeinsame Töchter, welche beide noch zu Hause leben und in Hamburg studieren.
Die aktuelle politische Lage lässt es leider nicht zu, dass auch der Rest seiner Familie in der Türkei ein so zufriedenes Leben führen kann. Früher haben Kurden und Türken friedlich nebeneinander her gelebt. Hassan hat damals auch den Umzug von Kurdistan in den Westen der Türken nicht als problematisch empfunden.
Doch heute herrscht in seiner Heimat nur noch Hass und Mistrauen. Hassan verbrachte dieses Jahr einen langen Urlaub in der Türkei und konnte sich ein eigenes Bild von der dortigen Lage machen. Er war erschüttert.

«Ich erkenne mein eigenes Land nicht mehr!»

Die Türken sind beherrscht von Verbitterung und hegen einen Hass gegen alle Menschen. Auch die gesamte Wirtschaft des Landes scheint still zu stehen. Hassan hat 11 Nichten und Neffen, die noch immer in der Türkei leben und dort alle studiert haben. Nur eine einzige von ihnen hat einen festen Job bei einer Behörde. Alle anderen halten sich mit Aushilfsjobs auf Basaren und Märkten über Wasser. Hassan ist sehr traurig über die Situation in seinem Land und hat Angst davor, dass bald ein zweites Regime wie in Syrien entstehen könnte. Für die Zukunft wünscht er sich, dass sein Heimatland wieder zu dem wird, was es mal war.
Hassan weiß sein ruhiges Leben in Deutschland daher ganz besonders zu schätzen und hofft, dass auch für seine Familie in der Türkei bald wieder Ruhe einkehrt.

Wer die Fakultät Life Science besucht, kann ihn gar nicht übersehen: Das erste erste Gesicht in Bergedorf.
Hassans Weg von Kurdistan über den Westen der Türkei bis nach Deutschland.
INGA MINET
Die gute Fee der HAW
Eine Frau für alle Fälle
Das Servicebüro an der HAW-Hamburg spielt eine zentrale Rolle im Leben der Studenten. Fragen über Fragen zu Noten, Prüfungsterminen, Zeugnissen und Immatrikulationsangelegenheiten. Nur eine hat die Antworten am Campus Bergedorf.

Inga Minet ist 59 Jahre alt und arbeitet im HAW Service Büro in der Fakultät Life Sciences.
Sie ist erst seit 9 Jahren wieder in Deutschland. Zuvor zog es sie im Alter von 26 Jahren in die Ferne. Die gebürtige Hamburgerin ging aus Arbeitsgründen mit ihrem späteren Ehemann nach Brasilien. Dort verbrachte sie 25 Jahre ihres Lebens und bekam vier Kinder. Zusätzlich zu ihren eigenen Kindern zogen Inga und ihr Mann ein Pflegekind groß. Ihre damalige Haus-Angestellte brachte das Mädchen mit in die Familie, wo es dann gleichberechtigt mit den Kindern der Minets aufwuchs. Leider scheiterte die Adoption nach vielen Jahren des Hoffens an Geldproblemen.
Nach 25 Jahren zerbrach ihre Ehe, sodass Inga von den deutschen finanziellen Sicherheiten und Rechten zurück nach Deutschland gezogen wurde.

«In Brasilien hätte ich nach der Trennung keinen Fuß mehr an den Boden gekriegt»

Leider blieben Ingas Kinder zum größten Teil in Brasilien. Lediglich der älteste Sohn arbeitet mittlerweile als kaufmännischer Angestellter in Deutschland. Zusammen mit ihrem Sohn versucht Inga, ihre Familie alle zwei Jahre in Brasilien zu besuchen.
In ihrer Freizeit bastelt Inga leidenschaftlich gerne Modeschmuck und beschäftigt sich mit ihren Tieren. Außerdem machte sie bereits in Brasilien eine zweite Ausbildung zur Computergrafikerin und beschäftigt sich daher auch hier gerne mit 3D Bearbeitungen. Schon in ihrer Kindheit wollte Inga immer Architektin werden, doch ihre Eltern stellten sich ihr in den Weg und sie machte eine Ausbildung als kaufmännische Angestellte. Erst nachdem die Kinder größer waren, machte sie den 3D Kurs und erfüllte sich ihren Traum. Leider konnte Inga mit dieser Ausbildung in Deutschland nur schlecht Fuß fassen. So brachte sie ihre erste Ausbildung an die HAW.
Auch wenn sie die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen in Brasilien vermisst, wird Inga auch in Zukunft in Deutschland bleiben. Denn nicht nur die finanzielle Sicherheit durch Rente und Krankenversicherung bindet sie an Deutschland. Auch die Sicherheit auf den Straßen weiß Inga immer mehr zu schätzen. In Brasilien lebte sie mit Gittern vor den Fenstern und wurde in ihrem eigenen Haus überfallen. Auf den Straßen lauert die Kriminalität. Daher ist sie sehr froh in einem so tollen Team an der HAW angekommen zu sein und genießt die Arbeit mit so vielen jungen Leuten Tag für Tag.

Wenn jetzt noch Fragen offen geblieben sind, so findet man Inga im Erdgeschoss am Campus Bergedorf, wo sie immer ein offenes Ohr hat.
Sicherlich befinden sich im Schatten der HAW noch viele weitere tolle Charaktere mit spannenden Geschichten. Auch wenn man nicht täglich mit ihnen in Kontakt steht, ist ihre Arbeit essentiell für den Betrieb der HAW. Wie unser Projekt zeigt, lohnt es sich sehr, sich mit diesen Personen auszutauschen.
© 2016 - HAW Hamburg
Lena Thamsen, Marie Beckers, Mar Fernandez Baste, Siri Luyten
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